Spektakuläre Aussichtslage: Der Kapf, 1687 als klösterliche Sommerresidenz erbaut, nach seiner Sanierung 2024.

Die JMSM und der Kapf

Mathilde Müller hätte diesen Ort gemocht. Sie, die als Bibliothekarin Literatur liebte und lebte, selbst leidenschaftlich gerne Märchen schrieb, sich für Kultur interessierte und noch im hohen Alter zum Katholizismus konvertierte, hätte ihre helle Freude gehabt am ehemals klösterlichen Kapf. Auch an dessen spektakulärer Lage als Solitär auf der malerischen Moräne mit Blick in «ihr» Freiamt. Und natürlich an der Idee, das «Haus der Bücher» nicht bloss zu retten, sondern auch zu öffnen.

Genau das schwebte der JMSM vor, als sie den Kapf im September 2021 kaufte. Denn es ist ein wahrhaft mystischer Ort. Erika Burkart und Ernst Halter wurden davon inspi­riert. Das gesamte Werk der grössten Schweizer Lyrikerin des 20. und beginnenden 21. Jahr­hunderts ist dort entstanden. Dasselbe gilt für die Bücher ihres Mannes. Die beiden machten den Kapf zum Ort der Literatur.

Dass sich Ernst Halter, der nach wie vor im Kapf lebt und dort ein Wohnrecht auf Lebenszeit geniesst, mit dessen Unterhalt allmählich überfordert fühlte, ist der Grund, dass die JMSM die Liegenschaft übernahm, die auf eine über 300-jährige Geschichte zurückblickt …

Der Kapf mit Trotte und «Lehenmanshaus» (unten links) Mitte des 18. Jahrhunderts in einer Zeichnung von Pater Leodegar Mayer um 1750.

Liess den Kapf ursprünglich als Trotte und Sommerresidenz erbauen: Fürstabt Plazidus Zurlauben (1646–1723).

Der Kapf mit Landhaus und Trotte: Illustration von P. Urs Viktor Frey (1710–1768) in der Pfarrchronik von Muri (um 1755).

Aufsehenerregendes Haustier: Walter Burkart mit seinem Jaguar unterwegs in Manaus, bevor er 1922 den Kapf kauft.

Perfektes Marketing: Walter Burkart pries den Kapf als Ausflugsziel an. Ansichtskarte aus den 1920er-Jahren.

Der letzte Besitzer: Der Schriftsteller Ernst Halter und seine grosse Liebe, die Dichterin Erika Burkart, in den 1970er-Jahren im Kapf-Garten.

Märchenhaft: Ernst Halter machte den Kapf-Garten über Jahrzehnte zum wilden Bijou. Bild: Aargauer Zeitung

Hatte eine Sanierung dringend nötig: So sah der Kapf aus, als die JMSM ihn 2021 kaufte. Bild: Der Freiämter

 

Eine turbulente Geschichte

Laut den nicht immer ganz zuverlässigen «Annales» von Pater Anselm Weissenbach lässt Abt Plazidus Zurlauben 1688 oberhalb von Alt­häusern auf Bitten seiner Schäfchen inmitten von Reben eine Trotte bauen, Festbänke fürs Bauernvolk aufstellen und ein paar Zimmer für seine Klosterbrüder einrichten. Der Kapf wird zur klösterlichen Sommerresidenz, in die auch Zurlaubens Nach­folger Gerold Haimb gehörig investiert. So richtig bedeutungsvoll wird er aber nie.

Als das Kloster Muri 1841 aufgehoben wird, kauft Pächter Vit Leonz Küng den Kapf. Ihn gehörig zu unterhalten, kann er sich aber nicht leisten. Ab 1900 geht der Kapf von Hand zu Hand, bis ihn 1922 der Abenteurer Walter Burkart kauft und in ein Gasthaus verwandelt.

Das liegt auch an seiner Lage: Der Kapf – was nichts anderes als Aussichtspunkt bedeutet – befindet sich an herrlicher Panoramalage zwischen Reusstal und Bünztal. Er ist umgeben von einem märchenhaften Garten und einer idyllischen Landschaft. Über 100 Jahre wird er in Familienbesitz bleiben.

Auf Initiative von Ernst Halter, Burkarts Schwiegersohn, wird der Kapf, inklusive Gartenanlage, Umfassungsmauer, Kutschertor, Sodbrunnen und Allee, 2015 unter kantonalen Denkmalschutz gestellt. Es ist das Verdienst Halters und seiner Frau Erika, dass das 300-jährige Gebäude baulich praktisch unverändert blieb: Fussböden, Treppen und Türrahmen, aber auch die bemalten Tapeten sind noch aus dem Jahr 1736.

Der Kapf vor seiner Sanierung: Die geplante Fassadensanierung wird zum massiven Eingriff.

Die ganze Wand muss neu aufgebaut, das Haus vom Erdgeschoss bis zum Dach abgestützt werden.

Die Grundmauer ist stabil, doch auf der Wetterseite fault der Riegel unter dem Putz.

Das hätte nicht mehr lange gehalten: Das Riegelholz zerbröckelt zwischen den Fingern.

So wenig wie möglich, so viel als nötig: Diese Wände sind allerdings neu.

Schützenswerter Wandschmuck: Die textilen Tapeten (hier im alten Zustand) wurden restauriert.

 

Wie geht es nun weiter?

Doch der Kapf ist damals schwer in die Jahre gekommen: Die Fassaden bröckeln, Feuchtigkeit setzt dem Fundament zu. Diese Probleme kann und will Ernst Halter verständlicherweise nicht mehr selbst stemmen. Um das bedeutende Baudenkmal zu retten, kauft die Josef Müller Stiftung Muri den Kapf und beginnt mit der Sanierung, die sich als aufwändig herausstellt. Der Riegel muss grossenteils ersetzt werden, damit das Haus nicht Gefahr läuft, einzustürzen.

Im Winter 2024/25 erstrahlt die Fassade in neuem Glanz und auch die sanfte Komplettsanierung im Haus ist abgeschlossen. Ernst Halter kann in sein Zuhause zurückkehren – zusammen mit seinen 10'000 Büchern. Gleichzeitig beginnt die JMSM, sich Gedanken zum Nutzungskonzept zu machen, sollte Ernst Halter einmal nicht mehr von seinem Wohnrecht Gebrauch machen wollen.

Sicher ist bereits: Der Kapf soll öffentlich und zum Ort der Kultur werden. Nicht einer elitären Kultur, sondern einer ver­bindenden, vielfältigen und niederschwellig zugänglichen. Ideen sind bereits viele vorhanden.

Fortsetzung folgt …